Sepsis / SIRS


Bei den Kodes für ein SIRS infektiöser Genese (R65.0 und R65.1) sind in der ICD-10-GM ab 2020 die Hinweistexte zur Sepsis gestrichen worden, so dass endlich die überfällige Entkoppelung zwischen SIRS und Sepsis-Definition im Sinne der Konsensuskonferenz Sepsis-3 vollzogen worden ist. Die SIRS-Kodes können allerdings weiterhin als Sekundärkodes zu einer infektiösen oder nichtinfektiösen Grundkrankheit kodiert werden, unabhängig von der Abnahme von Blutkulturen, sofern mindestens zwei der folgenden SIRS-Kriterien erfüllt sind:
  • Fieber (≥ 38,0°C)
    oder Hypothermie (≤ 36,0°) bestätigt durch eine rektale, intravasale oder intravesikale Messung
  • Tachykardie mit Herzfrequenz ≥ 90/min
  • Tachypnoe (Frequenz ≥ 20/min)
    oder Hyperventilation (bestätigt durch arterielle Blutgasanalyse mit PaCO2 ≤ 4,3 kPa bzw. 33 mmHg)
  • Leukozytose (≥ 12.000/µl)
    oder Leukopenie (≤ 4.000 /µl)
    oder ≥ 10% unreife Neutrophile im Differenzialblutbild
Bis auf den unspezifischen Kode R65.9 haben diese Kodes auch weiterhin CCL-Punkte und können zudem auch zur Erfüllung der Funktion "Komplizierende Konstellation" beitragen. Es sind somit u.U. erhebliche Erlössteigerungen möglich.

Um eine Sepsis kodieren zu können, ist gemäß international anerkannter Sepsis-Definition (Sepsis-3) eine nachgewiesene oder vermutete Infektion Voraussetzung in Verbindung mit einer nachgewiesene Organdysfunktion, verursacht durch eine dysregulierte Reaktion des Körpers auf einen Infekt.

Eine bakterielle Sepsis wird je nach Erreger mit einem Kode aus A40.- bzw. A41.- verschlüsselt. In der Schwangerschaft ist zusätzlich noch ein Kode aus O03.- bis O07.- Schwangerschaft mit abortivem Ausgang, O08.0 Infektion des Genitaltraktes und des Beckens nach Abort, Extrauteringravidität und Molenschwangerschaft, O75.3 Sonstige Infektion unter der Geburt oder O85 Puerperalfieber anzugeben. Bei Neugeborenen ist je nach Erreger ein Kode aus P36.- Bakterielle Sepsis beim Neugeborenen zu wählen.

Für die Sepsis durch "spezifische" Erreger existieren in bestimmten Fällen spezielle Kodes, z.B. A32.7 Salmonellensepsis, A39.2 Listeriensepsis, A39.2 bis .4 Meningokokkensepsis, B37.7 Candida-Sepsis. Eine Sepsis durch sonstige Pilze ist gemäß nachgewiesenem Erreger als disseminierte oder sonstige Form der Erkrankung zu kodieren. Eine Sepsis durch Herpes-Viren ist mit B00.7 zu kodieren. Eine Sepsis durch sonstige Viren kann z.Zt. nur mit B33.8 Sonstige näher bezeichnete Viruskrankheiten abgebildet werden.

Geeignete Werkzeuge für die Bewertung von Sepsis-bedingten Organkomplikationen sind der SOFA-Score und bei Kindern < 16 Jahren die Kriterien nach Goldstein.
Als Organdysfunktionen gelten dabei folgende Befunde:
  • Lunge: Horowitz-Quotient < 400 PaO2/FiO2
  • Leber: Bilirubin ≥ 1,2 µmol/l
  • Niere: Kreatinin ≥ 1,2 mg/dl bzw. 110 µmol/l oder Urinausscheidung < 500 ml/Tag
  • Kreislauf: mittlerer arterieller Blutdruck < 70 mmHg oder Gabe von Katecholaminen erforderlich
  • ZNS: Glasgow Coma Scale < 15
  • Gerinnung: Thrombozytopenie < 150.000/µl
Im Falle von Organdysfunktionen sind ggf. folgende Nebendiagnosen kodierbar:
  • Lunge:
    J96.0- akutes respiratorisches Versagen
    J80.0- Atemnotsyndrom
  • Leber:
    K72.0- Leberversagen
  • Niere:
    N17.- akutes Nierenversagen
  • Kreislauf:
    R57.2 Septischer Schock
    A48.3 Syndrom des toxischen Schocks
  • ZNS:
    G93.41 Enzephalopathie (metabolisch) (septisch)
  • Gerinnung:
    D69.5- Sekundäre Thrombozytopenie
    D65 Disseminierte intravasale Gerinnungsstörung
Ein septischer Schock (inkl. Endotoxin-Schock) liegt vor, wenn trotz adäquater Volumengabe ein mittlerer arterieller Blutdruck von ≥ 65 mmHg nur mit Gabe von Vasopressoren (Katecholamine: Adrenalin, Noradrenalin, Dobutamin, Dopamin) erreicht werden kann und ein Laktatwert von > 2,0 mmol/l vorliegt (Deutsche Sepsis-Gesellschaft). Hinsichtlich der Kodierung verweist die ICD-10-GM auf den Kode R57.2 Septischer Schock, mit dem auch ein "Endotoxinschock ohne nähere Angaben" kodiert wird. Bei spezifischeren Angaben, z.B. einem bakteriellen toxischen Schock nach Tamponbenutzung oder einem durch bakterielle Toxine z.B. von Staphylokokken oder Streptokokken ausgelösten toxischen Schocksyndrom, welches insbesondere durch einen Hautausschlag (1-2 Wochen nach Ausbruch der Krankheit), Rötung von Haut oder Schleimhäuten, Erbrechen oder Durchfall und Muskelschmerzen charakterisiert ist, kann A48.3 Syndrom des toxischen Schocks kodiert werden.

Die Entnahme von Blutkulturen ist für die Kodierung formal nicht (mehr) gefordert, ergibt sich allerdings aus den Empfehlungen der SEPSIS-Leitlinie (AWMF-Leitlinie 079-001).

Wenn eine Sepsis kodiert werden kann, liegt in der Regel auch ein SIRS infektiöser Genese mit Organkomplikationen vor. Auf die zusätzliche Angabe von R65.1! (obligater Sekundärkode gemäß DKR D012i) ist aufgrund der potentiellen Erlösrelevanz nochmals ausdrücklich hinzuweisen.

© Dr. med. Rolf Bartkowski (Stand: 14.03.2020)